Sonntag, 6. Mai 2007

Gewalt im Kornfeld.

aposEs hätte so schön werden können. Ein gelungener Abschluss für den Sonntag. Ein gelungener Reset für die Woche, die sich unerwartet angenehm entwickelt hat. Joggen. Und zwar meine Lieblingsstrecke. Oder die es bis heute war. Komm ich nach vier Kilometern in Kunitz beim Schafstall angejoggt und werde von drei Halbstarken dumm angemacht. Ich dachte es hackt.

„Wie siehst du denn aus?“, ejakulierte aus einem kümmerlich beleuchteten Kopf schon von weitem als man mich sah. Ich dachte mir erstmal nichts und lief weiter auf sie zu. Ich ahnte schon was kommt. Da sprang einer der drei Typen (der mit der Bierflasche, was mir schon mal suggerierte, dass die nüchtern nicht so mutig wären) auf als würde er sich mir in den Weg stellen wollen und krempelte seinen linken Ärmel hoch.
Da ich nicht, wie die drei Solarium-Mokkatässchen vor mir, als Kind zwar dreimal in die Luft geworfen, aber nur zweimal aufgefangen wurde, schätzte ich die Situation folgendermaßen ein, wobei sich mehrere Alternativen in meinem Kopf als „wahrscheinlich“ zu identifizieren versuchten:

1) Ich renne weiter und kassiere einen heftigen Clothline und anschließend ein kleines Tänzchen inklusive mit Geschwindigkeit ins Gesicht fassen.
2) Die drei Thüringer Bratwürstchen machen nur einen Harten und weichen mir aus. Denn nur die Harten kommen in den Garten. Wobei ich mir nicht ganz sicher war, ob denen klar war, dass die Härteren zur Gärtnerin kommen.
3) Ich drehe um und lasse mich aus der Ferne demütigen, wobei denen natürlich nicht klar ist, dass es mich nicht tangiert, was Fix und Foxi und deren geistig umnachteter Cousin sagen. Mir war eh klar, dass sie mir nicht zum Abschied winken würden.
4) Ich bin es, der die Atmosphäre der dümmlich anmutenden Aura des halbstarken Milchbrötchens durchbricht und ihm ganz provokant als erstes einen körperlichen Verweis erteile. Mir war klar, dass der Paragraph 23 des Notwehrgesetzes verspielt wäre. Aber vielleicht hätte es sie eingeschüchtert.

Nun. Ich entschied mich auf jeden fall für das Nicht-Umkehren. Was sich beinahe als fatal rausstellte. Die drei Typen hatten, wie sich rausstellte, nicht nur ein großes Maul. Sie waren in der Tat gewalttätig.
„DU IDIOT!“, dachte ich. Da warten drei offensichtlich gewaltbereite Großmäuler, die neben Bier auch Mut getankt haben und wer läuft weiter drauf zu? Ich.
Es roch nach Gewalt. Wenn nicht körperliche, dann wenigstens geistige. Auf jeden Fall keine gute Gewalt.

Ich schaute auf den Boden, obwohl mir klar war, dass das nichts bringt und denen nur Angst suggeriert. Ja, Spatzenhirne sind in der Lage gewisse Reize zu ihrem Vorteil zu deuten. Wegsehen macht eben keinen Sinn, wenn man schon als potentielles Opfer ausgewählt wurde. Traurigerweise erklärt dies auch, warum so viele Menschen trauriger aber verständlicher Weise wegsehen bei Gewalttaten. Ich sehe noch in meinem Blickwinkel, dass der Typ eine Geste macht. Es sah so aus als würde er mir Bier anbieten, was natürlich Unsinn ist, bedenkt man deren Pläne mich einzustampfen. Quasi eine 50 Cents-billige Flüssighenkersmahlzeit.

Unsinn war auch, dass mein Äußeres IGNORE ausstrahlte. Wem hätte aber diese Provokation gelten sollen, wenn nicht mir. Die Schafe hinter mir schauten zwar auch ganz komisch zu den Typen. Aber ein Schaf kann man ja nicht dumm anmachen mit „Wie siehst du denn aus?“.
„BINGO!“, dachte ich mir. Verhalte dich jetzt einfach wie ein Schaf. Die Schafe scheinen ja offensichtlich in friedlicher Koexistenz mit den drei Prolls zu leben. Ich habe auf den ersten Blick keins mit blauen Flecken ausmachen können. Ich hatte keine Möglichkeit. Weit und breit war niemand zu sehen. Nur ein riesiges Feld. Mein Handy hatte ich natürlich auch nicht dabei. Das macht auch keinen Sinn, wenn man nur mal eben Joggen will, es sei denn es hat einen integrierten 100ml-Wasserspender.


Das herannahende Bier in meinem peripheren Blickwinkel erwies sich als geöffnete Hand und wenn mich nicht alles täuscht war es ein kläglicher Versuch einer Ohrfeige.
Die Tatsache, dass ich schon ein bisschen Schiss hatte wurde verdrängt von dem Gedanken, dass Ohrfeigen eigentlich ziemlich ‚Mutti’ sind. Was nicht heißen soll, dass ich lieber eine Faust im Gesicht gehabt hätte.

Was sollte das nun eigentlich werden? Meine Stimmung hat bis zu diesem Auffeinandertreffen bestens funktioniert.
Ich frage mich manchmal, ob Dinge und Zustände nur funktionieren um Energie für den ‚Worst Case’ zu sammeln.
Dieses Gewaltding liegt mir nicht. Ich bin nicht gewalttätig. Nicht mal wenn man mich reizt und ich dabei nicht mal aufrecht stehen kann, weil ich ein bis zwei Fässer Bier im Turm habe. Nein, nicht mal dann.
Auf jeden Fall, hat der Rocky Balboa von Kunitz an meinem Gesicht vorbei geschwuchtelt. Ob er das wollte oder nicht, spielte keine Rolle für mich. Wenn er mich getroffen hätte, dann hätte ich ihm aus kurzer Distanz ins Gesicht gekotzt. Das ist meine Form der Gewalt. Ein riesiger Schwall als Resonanz hätte ihm und seinen beiden Orks ordentlich in die Suppe der weiteren Abendplanung geschissen.
Ich lief also weiter, und hörte ihn noch unverständlich was ‚Blödmännisches’ mir hinterher blöken. Ich zog mein Tempo ein bisschen an um die zweite Runde zu vermeiden. Dann flog eine Flasche an mir vorbei. Ich bin mir unsicher, ob der Oberspacken sie nach mir geworfen hat oder einer seiner beiden Dummbeuteltorpedos, die eigentlich nach ihrem Chef warfen, weil der anscheinend unfähig war mir aus einer Distanz von einem Meter eine zu schmieren. Na ja. Da ich auf Pfand scheiße, hob ich die Flasche nicht auf. Auch nicht um sie zurück zu den Einzellern zu werfen. Das hätte keinen guten Eindruck bei den Schafen gemacht. Ich habe nämlich nicht vor in Zukunft mit Sonnenbrille und falschem Schnurbart joggen zu gehen um nicht von ihnen erkannt zu werden.
Ich machte einen kleinen Umweg. Die Typen ließen sich anscheinend weiter vollaufen um ihre zukunftslosen Existenzen zu ertragen und warteten auf weitere Jogger, die sie belästigen konnten.
Ich bin nicht mal böse oder gar sauer auf die drei Nasen. Was soll man auch machen, wenn man sich in den Keller der Gegenwart zurückentwickelt?
Dieser massive Wunsch nach Gewalt, Macht und Männlichkeit hat mich auf meinem Heimweg ganz schön beschäftigt. Mir sind solche Situationen nicht unbekannt. Ich war ja schon des Öfteren Opfer und Zeuge von Gewalt. Ich sehe diesen jüngsten Versuch an mir eher als Traktat über Gewalt.
Die Konsequenzen der Gewalt lösen sich komplett von einem realen Blick auf die Welt. Gewalt ist wie eine Befreiung für die Aggressoren und eine Zerstörung des Objektes dessen. Der Gewalttätige entfaltet sich, öffnet etwas in sich und macht etwas zunichte. Selbst wenn sein Objekt halbwegs heil aus einer gewaltschwangeren Situation kommt, es wird nie mehr das sein, was es mal gewesen ist.
Ich frage mich was in zehn Jahren aus solchen Menschen wird. Ich bin traurig. Es gibt soviel unergründbare Aggression. Und irgendwo in Kunitz werden Schafe traumatisiert, die sich im Halbe-Stunde-Takt Gewalttaten reinziehen müssen. Da stimmt doch irgendwas nicht. Ich bin blessurenfrei aus dieser Situation gekommen. Ich hoffe, dass nächste Mal stehen die nicht noch mal da. Mein Handy werde ich dann vorsorglich einstecken. Und um Primo Levi zu zitieren:
Es gibt die Ungeheuer, aber sie sind zu wenig, als dass sie wirklich gefährlich werden könnten. Wer gefährlicher ist, das sind die normalen Menschen.

Willkommen im Keller der Gegenwart.

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BASTI<3
ICH LIEBE DICH MEIN SCHATZ :*
Thomas (Gast) - 4. Jul, 08:11
Wunder für die Gefühl...
Wunder für die Gefühl Welt....... !!!!
Henry Unger (Gast) - 8. Apr, 08:31
Musik
Wunerbar an dem Film ist vor alem die Musik, welche...
RyanO (Gast) - 28. Mär, 01:01
ich war es bis dato gewohnt,...
ich war es bis dato gewohnt, einfach mal nette leute...
bastiH (Gast) - 28. Jul, 09:14
lol du armer idot klar...
lol du armer idot klar soltlest du allen in den ass...
soag (Gast) - 8. Jul, 00:48
Aaa
Daher kennen wir uns also...
Stef (Gast) - 28. Mär, 21:06
du kranker
du kranker
jens (Gast) - 16. Feb, 14:12
diesen film...
... hatte ich mir vor einiger zeit absolut unvoreingenommen,...
mi3000 (Gast) - 22. Dez, 22:52
Warum gehen einige zu...
Warum gehen einige zu wordpress?
bateman - 16. Dez, 21:16
understood
la maman hat verstanden. du bist erlöst. may the force...
magali (Gast) - 31. Okt, 09:43