Die Amis, die.

apos Nachdem ich nun Wisnewskis "Lügen im Weltraum" beendet habe, kommt man ganz schön ins Grübeln und so.

Und was mir partout nicht aus dem Kopf will ist seine Bemerkung, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht. Ein roter Faden, der die allgemeine Geisteskrankheit unserer ganzen Spezies (speziell der „Führung“ Amerikas) zeitlich lokalisiert und auf den Punkt bringt: Unsere Ambitionen übersteigen unsere Fähigkeiten.

Und da ich mich voller Vorfreude auf Terry Pratchett’s „Einfach göttlich“ gestürzt habe, übertrage ich jetzt mal eine kleine von ihm geschriebene Geschichte auf das ganze USA-Welt-Verhältnis:

Da wäre zum einen die Schildkröte. Das sind wir. Die Europäer und der ganze andere Rest der „Welt“. Wir kriechen am Boden. Unser Horizont reicht nur bis zu den Grashalmen, die uns die weitere Aussicht versperrt. Wir sind langsam und hängen nach. Aber unsere Ambitionen übersteigen nicht immens unsere Fähigkeiten. Wieso haben als lahmarschige Schildkröte in einer Welt überlebt, die immer schneller wird und alles ausselektiert was nicht mithalten kann? Naja. Wir stellen eben keine Gefahr da. Trotzdem ist es schwer uns zu vernichten, weil wir so einen harten Panzer haben.
Und dann gibt es noch den Adler. Den stolzen König der Lüfte. Das sind die USA. Sie schweben so hoch, dass ihr sichtbarer Horizont einfach alles übersteigt und erst am Ende der Welt seinen Ausgang findet (ich ignoriere jetzt mal Neil Postman, der meiner Meinung den Nagel auf den Kopf getroffen hat). Der Adler sieht alles. Wie die Amis. Er überwacht alles und kann in windesteile anvisieren und sein Opfer angreifen. Kein Problem für ihn. Selbst die Distanz ist lächerlich für den König der Lüfte.
So kreist der Adler am Himmel und sucht nach potentiellen Opfern. Nun erspäht er uns. Die Schildkröte. Ihn interessiert unser Panzer nicht. Er steuert auf uns zu und schnappt uns mit seinen Krallen.
Und was denkt die Schildkröte? Sie denkt nicht: „Scheiße. Das war’s jetzt.“
Nein. Sie freut sich darüber, endlich mal mehr von der Welt zu sehen als ihren Boden. Sie ist so schnell, wie sie sich es immer erträumt hat. In 200 Meter Höhe in den Klauen des Adlers ist sie glücklich mehr gesehen zu haben. Für sie ist der Adler ein guter Freund, der ihr ermöglicht hat, mehr zu sehen. Ihr ist nicht bewusst, was der Adler vorhat.
Und dann? Der Adler denkt sich, er kann es auch einfacher haben. Er hat kein Bock drauf den Panzer zu knacken, auch wenn die Schildkröte sicherlich sehr lecker schmecken würde. Also lässt er sie fallen um sich ein leichteres Ziel auszusuchen. Mit einem Affenzahn fliegt die Schildkröte nun vom Himmel. Sie realisiert, dass sie bald tot sein wird. Den Adler interessiert das gar nicht. Er geht einfach weiter auf Beutezug. Stellen wir uns jetzt mal vor, dass würde er mit jeder Schildkröte machen. Einfach nur weil er Sadist ist und alle aus großer Höhe zu Boden fallen lassen will. Irgendwann gibt es keine Schildkröten mehr. Keiner hat es mitbekommen, weil alle Schiss haben, selbst vom Adler erwischt zu werden. Und diejenigen, denen es nicht bewusst ist, wie groß diese Gefahr ist, die werden sich eher darüber freuen, wenn der Adler sie packt. Denn dann sehen sie mehr und sind so schnell wie in ihren kühnsten Träumen. Keiner hält den Adler auf. Er ist einfach zu schnell und zu clever.
Das einzige was vielleicht hilft, ist seinen Verstand einzuschalten und alles dafür zu tun, dass der Adler nicht zupacken kann. Das bedeutet, dass man sich nicht freuen sollte, wenn der Adler angeschwirrt kommt.
Wie sagte Kant einmal so schön: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.
Viel Erfolg dabei.

Nachtrag: Was der Adler nicht weiß ist, dass je öfter er die Schildkröte fallen lässt (nehmen wir mal an es gibt soviele, dass er es nicht alleine schaffen kann sie auszurotten), irgendwann die natürliche Auslese von vorne beginnt. Die Schildkröte gewöhnt sich an den Fall als Spezies. Ihr wachsen dann irgendwann auch Flügel. Und dann hat der Adler schlechte Karten.
andreschneider (Gast) - 16. Aug, 09:39

*traurigguck*

Schade, dass das mit der Evolution nicht schneller geht. Ich würde die fliegenden Schildkröten gerne noch erleben. :-( Die Vorstellung jedenfalls finde ich so richtig, RICHTIG erheiternd.

Para (Gast) - 17. Aug, 09:42

*rebellisch is*

ich will ne fliegeschildkröte sein! dann kriegt der adler eins auf die mütze! haha! aber nur der eine.. als böses beispiel quasi.. ansonsten lass ich mich nich auf dessen niveau runter..

solch blinde "adler" gibt es aber auch bei uns.. gibt es denke ich überall..

die schildkröten müssen nur lernen es früh genug zu erkennen..

oder sich die flügel schon früher aneignen ^^ sone schildkröte mit propeller auf dem rücken.. die vorstellung gefällt mir ^^

so long

Para

tpl - 17. Aug, 11:37

ich frag mich nun, ob es für schildkröten nicht alternativen zum fliegen gibt (um den "angriffen" des adlers auszuweichen ) - möchte eigentlich nicht so ABGEHOBEN durchs leben gehen;

geerdet fühl ich mich schon wohler...

pulsiv - 17. Aug, 12:01

schönes gleichnis

das triffts sehr gut. leider. schade wirklich, dass unsere gesellschaft das alles so akzeptiert hat. irgendwer muss dem adler mal auf die flügel schauen. von oben wenns geht.

MuhKuh (Gast) - 20. Aug, 12:21

Es wäre aber fast einfacher den Adler nach unten zu holen, als dass jemand oder etwas über den Adler gelangt. Denn er Adler wird das ja sehen, wenn eine Schildkröte versucht nach oben in die Lüfte zu gelangen. Und dementsprechend reagieren.
Aber wenn man versucht den Adler von zu fangen...

Na ja...andererseits, wenn der adler jede potentielle Beute fallen lässt, dann beraubt er sich selbst seiner Nahrungsgrundlage und wird selbst wie einst Ikarus vom Himmel fallen.
SehnsuchtPara (Gast) - 22. Aug, 15:09

.. wo ich gerade so durch die unweiten des www schliddere und mir die arme an tagträumen aufreisse und meine hände an selbstmordgedanken zerren ..

stelle ich fest - du siehst deinem vater wirklich verdammt ähnlich . . .


und jetzt überleg mal, wie ich DARAUF wohl komme *gg*

katiza - 22. Aug, 18:11

Und dann gab es da noch Aischylos,

den griechischen Tragödiendichter, der angeblich 456 v. Chr. in Sizilien von einer Schildkröte erschlagen wurde, weil ein Adler, der das gepanzerte Tier knacken wollte - was ja auch ein Grund sein könnte sie fallen zu lassen, ganz blöd ist ja leider auch der Adler in deiner Parabel nicht - ihm die Schildkröte auf den Kopf fallen ließ, den er mit einem Felsen verwechselte. Welche Rolle könnte nun Aischylos spielen?

Jack1fS - 6. Sep, 15:13

Ich denke mal der Rest der Welt stellt den Aischylos. Wobei ich Europa nicht als eine Schildkröte sehe sondern schon eher ein Nest. Es muss ja immer ein paar Schildkröten geben die dann die "unwilligen" Schildkröten verpfeifen. O.k. das greift auch nicht so zwingend, aber irgendwie passt´s dann doch wieder.

Mal sehen ob der Adler nach den nächsten Wahlen auch noch kreist. Vielleicht bekommt dann die andere Hälfte der USA-Wähler eine Politik für sie. Doch seit heute (F. Thompson!) habe ich leichte Zweifel... o.k. - zuviel Politik.

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