Mittwoch, 25. Juli 2007

Horror zum Einschlafen.

apos Frau Jones hat gestern den Film KEN PARK gesehen. Und auch ich hab mir zu später Stunde noch sehr kontroverses Kino "gegönnt". Da ich ja u.a. Filmwissenschaft studiere, bin ich unheimlich aufgeschlossen was Filme angeht. Besonders Filme, die Gewalt und Sexualität thematisieren und all ihre Schattenseiten aufzeigen, sind in dem Zusammenhang interessant für mich.

Also hab ich mir vor dem Einschlafen mal wieder seit langem IRRÉVERSIBLE und MENSCHENFEIND reingezogen. Das sind so zwei Filme, die sich auf ewig in die Erinnerung eindreschen und zwar mit der Gewalt, die sie darstellen. Genau wie bei Pasolinis nihilistischem Manifest SALÒ: DIE 120 TAGE VON SODOM, sitzt der Kloß tief im Hals des Zuschauers.

Was soll man von beiden Filmen halten? Nun. Ich würde wohl erstmal dazu raten, diesen Film nicht aus Unterhaltungszwecken zu sehen. Das sind alles andere als Splatterfilme (vor allem IRRÉVERSIBLE).

In IRRÉVERSIBLE regnet es hypnotische Bilder unter dem Slogan 'Die Zeit zerstört alles'. Der Film beginnt hinten und arbeitet sich rückwärts nach vorne zum Anfang (vergleichbar mit Nolan's MEMENTO). Der Film "beginnt" also in dem Schwulenclub 'Rectum' (Paris?). Zwei aufgebrachte Männer stürmen diesen Club. Sie suchen jemanden. Von Anfang an zieht die Kameraführung den Zuschauer in einen sprichwörtlichen Sog. Wie ein Blatt im Wind wirbelt sie umher. Pausenlos. Was teilweise wie eine sehr anstrengende visuelle Erfahrung wirkt, dient dem Zweck des willkürlichen Berührens des Zuschauerauges. So wie hier im kommenden Gezeigten die Grenzen der Moral und Ethik aufgeweicht werden, so werden uns die "Gesetze" der Kadrierung um die Ohren gehauen. Wir dürfen dann in Nahaufnahme, nach vielen sadomasochistischen Begegnungen im Club, nach erigierten Penissen, ein Inferno der Gewalt bezeugen, dessen Gründe uns an dieser Stelle des Films noch gar nicht erschließbar sind. Ein Arm wird über das Bein gebrochen, der anschließende Racheakt, bei dem einem Menschen in Nahaufnahme mit erschreckender Echtheit und brachialer Wucht der Schädel mit einem Feuerlöscher eingeschlagen wird. Zehn bis fünfzehn Mal sehen wir zu, wie das Gesicht immer unerkenntlicher deformiert wird, der Tod dieses Menschen lässt auf sich warten. Man sieht wie sein Körper noch zu minimalen Reaktionen fähig ist, bis der Schädel nur noch Matsch ist.
Ich war beim ersten Mal so fassungslos, weil ich so was noch nicht mal in einem Splatterfilm gesehen habe. Es hat so echt gewirkt, weil der Film mit der unsichtbaren Montage, dem digitalen Schnitt arbeitet.
Das ist die Einleitung des Films. Man weiß nicht, wie man das bewerten soll. Es ist nachzuvollziehen, dass man dazu neigen würde dem Regisseur eine Verherrlichung zu unterstellen, da dieser Film einen blinden Fleck unserer Gesellschaft abtastet.
Mit voranschreitender Geschichte erschließen sich langsam die Gründe für dieses Gewaltinferno. In der Mitte des Film können wir begreifen, dass die beiden Männer einen Mann suchen, der die Freundin des Einen in einer Straßenunterführung vergewaltigt hat.
Diese Vergewaltigung ist die albtraumhafteste Sequenz, die ich jemals im Verständniskontext eines Filmes wahrgenommen habe. Alle Paradigmen meiner Wahrnehmung wurden dabei gelähmt. Die Vergewaltigungssequenz dauert zehn Minuten. Dies ist eine der wenigen Stellen im Film, an dem die Kamera zur Ruhe kommt. Sie stellt sich in Untersicht zum Geschehen auf und beobachtet dieses voyeuristisch. Ich bin ja echt überhaupt nicht empfindlich, aber mit was für einer Gewalt und Erniedrigung diese Vergewaltigung abläuft, treibt einem alles hoch. Menschen, die der Meinung sind, dass man doch so was nicht im Film zeigen kann, die haben nicht begriffen, dass es nichts aber auch nichts an einer Vergewaltigung gibt, das man beschönigen kann. Und deswegen ist diese Snuff-vergleichbare Einstellung so echt. Im Hintergrund, im Unscharfen betritt ein Mann die Unterführung, der die Vergewaltigung registriert, aber aus Scham (Zivilcourage) auf dem Fuß umdreht und verschwindet. Die Vergewaltigung soll an der Stelle noch ganze fünf Minuten dauern. Das ist eine Schlüsselszene, in der dem Betrachter nun endgültig die Pistole auf die Brust gesetzt wird und dieser nicht mehr leugnen kann, dass das Gezeigte zwar keine Realität ist (weil eben fiktiv), aber der Wahrheit entspricht. Man wird eingemauert und bis ins Unerkenntliche traumatisiert. Wir balancieren an einer Grenze des psychischen Schmerzes. Wir vergessen unsere Umgebung und werden hinein gesaugt. Das ist wirklich bemerkenswert an diesem kontroversen Film. Bei der Uraufführung von IRRÉVERSIBEL verließen mehr als 600 Menschen den Saal, weil sie dem nicht mehr gewachsen waren.
Wir beobachten also eine anale Penetration eines schwulen Zuhälters, der seine physische Gewalt mit unglaublicher verbaler Gewalt und Angst komplettiert. Er will "Papa" genannt werden, während er den zitternden Frauenkörper mit unermesslicher Brutalität zerstört. Der Vaterkomplex, der Abgesang auf Religion und Gott (anale Vergewaltigung). Ein Akt, der motiviert wird durch den Wunsch nach Liebe auf der einen Seite (Vergewaltiger) und auf ein Zerstörungsakt auf der anderen Seite (Opfer), zerstört uns alle Illusionen von Sex, Liebe, Rachegefühlen und Moral.
Er beendet seine Vergewaltigung (man sieht seinen erigierten Penis) indem er ihren Kopf nimmt und so oft auf den harten dreckigen Betonboden schlägt, dass sowohl ihr Bewusstsein, als auch ihr Gesicht zur Unerkenntlichkeit aufgelöst wird. In diesem Moment bewegt sich die Kamera, die genau wie der Zuschauer gelähmt daneben stand (was sie wohl als unser Auge identifizieren soll) auf das Geschehen zu.
Das Trauma ist komplett. Es wirkt beinahe pietätlos, dass am Ende eine unheimlich liebevolle Sequenz gezeigt wird, wobei der "später" vergewaltigten Frau ihre Schwangerschaft bewusst wird.

Dieser Film zeigt die Zerstörungswelle der Zeit, die Rache, das Lahmlegen von Moral und Liebe. Er hat das Leben so unvorstellbar bestialisch zugerichtet, wie das Kopfkino im Zuschauer. Diesen Film wird man niemals vergessen, denn seine Wirkungskraft, wie Stiglegger schreibt, wird das Publikum mit der Wucht einer Dampframme mitten ins Herz treffen. Hass, Wut, Tränen, Blindheit und Liebe.
IRRÉVERSIBLE ist einer der radikalsten und existenziellsten Kommentare zum Kontext zwischen Leben, Film und Zeit, der in den heutigen Zeiten überhaupt denkbar ist.
Er soll nicht provozieren, er soll lähmen und alles verändern. Deswegen: Vorsicht. Extrem empfehlenswert.

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Zuletzt aktualisiert: 4. Jul, 08:11

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BASTI<3
ICH LIEBE DICH MEIN SCHATZ :*
Thomas (Gast) - 4. Jul, 08:11
Wunder für die Gefühl...
Wunder für die Gefühl Welt....... !!!!
Henry Unger (Gast) - 8. Apr, 08:31
Musik
Wunerbar an dem Film ist vor alem die Musik, welche...
RyanO (Gast) - 28. Mär, 01:01
ich war es bis dato gewohnt,...
ich war es bis dato gewohnt, einfach mal nette leute...
bastiH (Gast) - 28. Jul, 09:14
lol du armer idot klar...
lol du armer idot klar soltlest du allen in den ass...
soag (Gast) - 8. Jul, 00:48
Aaa
Daher kennen wir uns also...
Stef (Gast) - 28. Mär, 21:06
du kranker
du kranker
jens (Gast) - 16. Feb, 14:12
diesen film...
... hatte ich mir vor einiger zeit absolut unvoreingenommen,...
mi3000 (Gast) - 22. Dez, 22:52
Warum gehen einige zu...
Warum gehen einige zu wordpress?
bateman - 16. Dez, 21:16
understood
la maman hat verstanden. du bist erlöst. may the force...
magali (Gast) - 31. Okt, 09:43