Als ich Tür zur Mensa aufstoße hält man mir schon drei Flyer ins Gesicht. Auch der dünne Typ mit den 100g Talg im Gesicht an der Treppe visiert mich mit einem fragwürdigen Handyvertrag in der Hand an. Ehe ich mich für ein Essen entscheiden kann werde ich also geistig anal penetriert. Die eine Tresentorte quatscht mich so voll, dass ich mir einen Hörsturz bzw. einen Tinitus herbeisehne.
„Ich kann nicht lesen!“, versuche ich mich ohne Gewalt der langsam zu nerven beginnenden Situation zu entledigen. Ihr Blick verrät mir, dass sie mir nicht glaubt und irritiert ist, dass ich so was Doofes gesagt habe.
Auch der anderen Braut, die mich mit Flyern voll stopfen will, suggeriere ich, dass wenn sie nur einen Meter an mich herantritt, ich in der Lage wäre ihr Leben zu beenden noch bevor sie ihren Lohn abholen und verprassen kann.
Ich bin genervt und das hat ein paar Gründe:
#1 Ich habe nur vier Stunden geschlafen, weil ich bis vier Uhr morgens auf dem „Cinebeats“ zugange war.
#2 Daran anschließend, habe ich gut und gerne 20 Euro in „Erfrischungen“ investiert, die ich nachdem Aufstehen immer noch merkte.
#3 Ich habe Hunger. Und da sollte man mir aus dem Weg gehen, es sei denn man ist die Kellnerin.
#4 Die Mensa am Ernst-Abbe-Platz in Jena. Notiz an mich selbst: Geh nicht um zwölf Uhr mittags essen. Denn alle 25 000 Studenten dieser Stadt gehen zu diesem Zeitpunkt auf einmal ihr Essen einnehmen.
Nachdem ich 20 Minuten lang anstehen musste für mein Essen, drängelte sich so ein kleines Miststück vor mich mit Nutten-Nummernschild überm Arsch, klimperte mit ihren Augen und hoffte ich würde sie vorlassen. Tat ich auch. Nicht aus Höflichkeit, sondern weil hinter mir geschoben wurde und ich kurz davor war, das Mensabesteck zu zweckentfremden.
Nachdem mir der Kotzekocher die rekordverdächtige kleinste Mittagsportion aller Zeiten gab, war meine Laune so irgendwo zwischen Sterben und Enthäuten. Thomas stand hinter mir. Sein Grinsen bewahrte mich vor einigen Straftaten. An der Kasse stand dann ein Typ, der sich durch mich durch mit einem anderen unterhielt. Ab und an drehte er sich auch um und ich hatte dann beinahe seinen Rucksack auf meinem Tablett und damit in meinem griechischen Essen.
Er laberte und laberte. Ich wünschte mir ganz innig, dass Gott ihn beim Scheißen mit einem Blitz erschlägt, aber Gott wurde anscheinend in der Mensavorhalle von den drei Flyer-Frauen und der Handy-Bohnenstange über den Tisch gezogen.
Dieser Typ fragte seinen Bekannten, ob er wisse, woher die Fanta komme. Es war eine dieser Fragen, die eine unmittelbar anschließende Belehrung nach sich ziehen.
„Halt dein Maul und bezahl einfach nur dein Essen, du Hartgeldstricher!“, dachte ich mir. Aber er hatte schon Luft geholt.
„Du musst wissen, dass es damals in Deutschland Zuckermangel gab und dann hat man eben die Fanta erfunden!“, sagte er verständlich für alle.
Hat der einen Kasper in der Schublade liegen? Sein Satz machte keinen Sinn. Kann aber auch daran liegen, dass ich fast dehydriert bin und unter akutem Elektrolytenmangel litt.
Er quatschte weiter, natürlich nur Dünnes, ich bezahlte in Lichtgeschwindigkeit, damit mir nicht noch dampfendes Blut aus den Ohren schießt.
So. Ich dachte das Thema Ohrenbluten wäre für heute erledigt. Nachdem Thomas und ich dann ungefähr 57 Jahre nach einem Sitzplatz suchten ist es zum cholerischen Showdown gekommen. Es gibt doch tatsächlich lebensverneinende Amöben, die das Prinzip der Essensstoßzeit nicht begriffen haben und noch 10-15 Minuten nachdem sie fertig sind sitzen bleiben, während 1000 potentielle Amokläufer auf Tischsuche sind. Ich begreif es nicht.
Wir setzten uns an einen Tisch. Neben uns saßen noch zwei frauenähnliche Kreaturen und so ein komischer Riemenspanner, der sich für ganz eloquent hielt.
Ich wurde Zeuge einer bahnbrechend minderqualitativen Interaktion. Die eine redete schneller als Busta Rhymes, was ihrer Stimme so einen fiesen Klang gab. Und sie hörte niemanden zu.
„Doch, doch“, sagte sie, „bei Vobis kauf ich immer meine Druckerpatronen. Ich finds sowieso total schäbig wenn Leute ihre Patronen auffüllen lassen!“.
GEH AUF DER AUTOBAHN SPIELEN, du Suppenkoma.
Ich konnte das nicht mehr ertragen, ich habe versucht wegzuhören, aber der Typ neben mir, rieb sich irgendwie immer an mir, wenn er über ihre schlechten Witze lachte. Das Bedürfnis ihn einfach von diesem Planeten zu flexen stieg bedrohlich, als er dann rülpste.
„Uups!“, sagte er, „Da is wohl n Berg umgekippt!“.
„Mir fällt gleich meine Hand in deine dezent urinfarbene Fratzenfalle, wenn du nicht gleich n Abgang machst!“, dachte ich mir. Er ging und nahm seine Essnazis mit.
Nachdem Thomas und ich fertig waren mit unserem Essen standen wir noch an die 802375 Jahre an der Tellerabgabe, da einige glauben, das Tellerabgeb-System funktioniert genauso wie der Stau an einer Autobahnbaustelle. Nach dem Reisverschlussprinzip.
Ich war genervt und immer noch hungrig. Auf dem Weg in die Mensavorhalle lief wieder die Vordränglerin mit dem Geweih über der Nougatfalte. Ich wusste, dass mein Zielfoto heute ohne zwei Daumen nach oben auskommen musste. Das nächste Mal schmier ich mir ne Stulle und fress die auf dem Campus.
Meine Laune gab sich dann die Kugel, als ich verdammte Axt noch mal feststellen musste, dass ich zwar mit MP3-Player die Mensa betreten hatte, sie ohne diesen aber verließ.
An den glücklichen Finder: Wenn ich dich mit meinem geliebten MP3-Player irgendwo sehen sollte, dann spielt meine Aggressions-Violine. Und zwar nur für dich.
Und einen Flyer hat man mir auf dem Rückweg auch noch in die Hand gedrückt.